erik
 
     
   

 

Fragmente nach Schiller (2005),

für Sopran und Klavier

 
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entstanden als Auftragswerk der Sängerin Carola Schlüter und des Pianisten John-Noel Attard, anlässlich eines Projekts zum 200. Todejahr von Friedrich Schiller und als Kompositionsauftrag der Hochschule Frankfurt. Die Fragmente nach Schiller, 4 zyklisch zusammengehörige Teile (I-IV), sollen immer zusammen aufgeführt werden und attaca, d.h. ohne Satzpausen ineinander übergehen. Es liegen folgende Auszüge aus Gedichten Friedrich Schillers zu Grunde; [...] zeigen die Auslassungen durch den Komponisten:

I [Auszug aus dem Jugendgedicht: Die Größe der Welt (entstanden vor 1788) )1

Die der schaffende Geist einst aus dem Chaos schlug,

Durch die schwebende Welt flieg ich des Windes Flug, [...]

Nach lockenden Zielen, Irrend suchte mein Blick umher,

Sah die Räume schon - sternenleer.[...]

“Steh! du segelst umsonst - vor dir Unendlichkeit!”[...]

II [Auszug aus: Resignation. Eine Phantasie (entstanden vor 1786) ]2 [...]

Ein Lügenbild lebendiger Gestalten,

Die Mumie der Zeit [...]

Das nennt dein Fieberwahn - Unsterblichkeit?[...]

III [Auszug aus Zenith und Nadir (aus den Epigrammen, entstanden nach 1788) ]3

Wo du auch wandelst im Raum, es knüpft dein Zenith und Nadir

An den Himmel dich an; [...]

[2. und letzte Zeile aus Sprache, aus den Tabulae Votivae von Schiller und Goethe] )4 [...] IV Spricht die Seele, so spricht ach! schon die Seele nicht mehr.

Die musikalische Form und Strukuren wurden unmittelbar durch den Text inspiriert und sind nicht, wie öfters in Neuer Musik, präkomponiert. Musikalisches (z.B. der “chaotische”, unvorhersehbare Einleitungsteil im Klavier) nimmt auf den Text Bezug, deutet voraus. Auch das Zusammenwirken von Stimme und Klavier sowie bestimmte Klangfarben/ Vokaltechniken sind niemals manieristisch intendiert, sondern sie sind unmittelbar von der Semantik des Textes inspiriert. Bei bestimmten Schlüsselworten, die mit Grenzen und Unendlichkeit zu tun haben, gibt es beispielsweise Zentraltöne in Liegeklängen, bleibt die musikalische Zeit stehen (z.B. beim Wort: “Unsterblichkeit”). Mich reizte insgesamt gerade der unbekanntere, unpathetische Schiller, der sich eher mit Zweifeln und der Begrenztheit des Menschen, mit seinem Irren inmitten der großen Welt und der mit Unendlichkeit auseinandersetzte. Ähnlich irren wohl auch wir wohl heute, nur auf technologisch-ökonomisch trügerisch “höherem Niveau”:

Wir erforschen das Weltall und fragen nach der Existenz einer “sternenleeren” Welt. Wir verharmlosen zuweilen gefährliche (z.B. menschenverachtende) Tendenzen einer hochkapitalistischen Globalisierung, und irren nach “lockenden Zielen”. Auch im Namen solcher Tendenzen wird jener nur als “politisch-pathetisch” oder jener positivistisch oder “aufbruchs-enthusiastisch” dargestellte Schiller (z.B. jener der “Ode an die Freude”, in den neuen EU-Hymnen) in diesen Tagen gewiss oft genug missverstanden bzw. gar propagandistisch missbraucht. Was Schiller viel mehr am Herzen lag, und was er vermutlich viel lieber sehen würde, war u.a. seine aufklärende und ästhetische Erziehung des Menschen zu sehen und weiter zu tragen.

)1Erstveröffentlichung: Schiller, Friedrich (Hrsg.): “Anthologie auf das Jahr 1782”, ohne Verlagsangabe bei J.B. Metzler, Stuttgart. zurück

)2Erstveröffentlichung in Schillers Zeitschrift "Thalia", 2. Heft, 1786. zurück

)3Erstveröffentlichung in der Zeitschrift Die Horen und in den von Schiller herausgegebenen Musenalmanachen zwischen 1796 und 1800. zurück

)4Erstveröffentlichung 1797 in Schillers Musenalmanach. zurück

 
     
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