erik
 
     
  Werkkommentar  
 

Tango Oktogon (2007),

ist inspiriert vom unten dargestellten Bild Oktogonquadrat 3 des Künstlers Peter Kenter, in welchem er 72 verschiedene Oktogonquadrate mit steigenden (oder gleichen) Flächeninhalten so an ordnete, dass die 12 Reihen je 6 Oktogonquadrate an der mittleren Bildachse gespiegelt sind. Die 12 Formteile meines Tango bilden die 12 Oktogonquadrat-Reihen des Bildes nach, mit jeweils musikalischen Spiegelachsen in der Mitte. Die Musiker machen teilweise, zum besseren Erkennen dieser Oktogonquadrat-Reihen, jeweils eine kurze Zäsur, in der geblättert wird. Für den zeitlichen Rahmen der rhythmischen Struktur definierte ich immer zwei 4/4-Takte pro Oktogonquadrat. Es enstehen also 12 Palindrome. Immer nach 12 Takten (entsprechend den 6 Oktogonquadraten) werden Tonfolge und Rhythmus gespiegelt. Im Bild gibt es 27 verschiedene (ansteigende) Flächeninhalt-Quantitäten. Oktogonquadrate mit gleichem Flächeninhalt (Quantität) aber minimal anderer Gestalt (Qualität) folgen unmittelbar aufeinander. Der zunehmende Flächeninhalt der Quadrate ist musikalisch durch ständig zunehmende Ereignisdichte (16-tel-Füllung in 2 Takten von maximal 32 Impulsen) umgesetzt. Bei aufeinander folgenden Quadraten mit gleichem Flächeninhalt aber anderer, minimal wandelnder Gestalt komponierte ich entsprechend dieselbe Ereignisdichte bzw. rhythmische Impulse, aber andere Tonfolgen und Intervallen. Der „Tango“ beginnt also zunächst sehr Tango-untypisch: mit relativ viel Stille, mit nur zwei Einsätzen: zwei kurze 16-tel-Impulse, einer am Anfang des ersten und der zweite erst am Ende des zweiten Taktes. Im weiteren Verlauf stehen zunächst auch lichtere, selbst erfundene rhythmische Strukturen. Er steigert sich aber kontinuierlich bis zum Schluss und wird immer Tango-hafter bis zu einem „Modo di Tango“ im virtuosen Schlussteil, in dem kaum noch Pausen sind. Ich verwende in Tango Oktogon insgesamt über 20 typische Tango-Rhythmen mit ihren Variationen. Erstmals erscheint das „Sincopa-1“-Pattern, ein alter Tango-Rhythmus (Takt 58/59), im letzten Teil schließlich die bewegten, Piazolla-typischen Pattern des Tango nuevo. Als Regel definierte ich dabei folgende: Sobald der Flächeninhalt des jeweils zu vertonenden Oktogonquadrates musikalisch der 16-tel-Füllung (Ereignisdichte oder rhythmische Impulsdichte) eines (bzw. dann jeweils eines neuen, variierten) Tango-Patterns entspricht, muss das entsprechende Tango-Pattern verwendet werden. Zudem „zwangen“ mich quasi die Tango-Pattern, die rhyhtmisch nicht umkehrbar sind, zu Abweichungen vom strengen Spiegel-Prinzip. Denn das Spiegelachsen-Prinzip hob ich bei diesen unumkehrbaren Tango-Rhythmen auf, um sie erkennbar zu halten und die typischen, nicht verfremdeten Tango-Abschnitte zu verlängern. Das „Tango“-hafte, Tänzerische Element ließ ich also bewusst die Strenge der Konstruktion auf brechen. Ebenso sind Dynamik- und Klangfarben-Behandlung sowie die Artikulation zuweilen bewusst gegen das strenge Spiegelungsprinzip komponiert.

Durch diese teils intuitiv, teils aus dem Bild von mir selbst abgeleiteten aber auch selbst dazu definierten Tangopattern-Kompsitions-Regeln entstand ein Werk, in dem der Aspekt des konsequent Konstruktiven der Bildvorlage dem typisch Emotionalen, dem Leidenschaftlichen des Tango entgegen gesetzt ist. Dennoch wird das Werk immer Tango-artiger, je fülliger auch die Oktogonquadrate unten im Bild werden.

Bild

 
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