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Ziip...-Hommage a Alvin Lucier (1999),

für Akkordeon, Live-Zimbelspieler, 2 Tapespuren

 

 
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"Ziip ... - Hommage à Alvin Lucier, für Akkordeon, 2 Tapespuren, tibetanische Zimbel und Live-Zimbelspieler Eine entscheidende Inspiration für diese Komposition bildete das Stück "I´am sitting in a room" von Alvin Lucier, das ich zuerst bei den Wittener Tagen für Neue Kammermusik 1997 hörte. Lucier arbeitet in diesem Stück mit dem Zerfall bzw. der Entstellung des Klanges der menschlichen Stimme, indem er einen auf Band gesprochenen Text (Endlosschleife) immer neu reproduzieren und die Reproduktion ständig wieder aufnehmen, abspielen, wieder reproduzieren lässt etc.. Dies lässt er so lange geschehen, bis schließlich die vielen Klangnuancen der Sprechstimme immer mehr zu einem verzerrten Ton mit verschiedenen Obertönen und Binnenfarben verformt werden. Die Resonanzfrequenzen des Raumes werden ständig neu mit aufgenommen und zerstören zunehmend die Plastizität des jeweils Reproduzierten. Zwischen Klang und Sprechpausen ist zum Schluss kaum mehr zu unterscheiden. Die Grenzen technischer Reproduzierbarkeit können somit zu einer Bereicherung werden.

Das genannte Prinzip Luciers wende ich in meiner Komposition in Tape-Spur 2 an. Das Prinzip des Zerfalls von Klängen wird hier jedoch durch mehrere Faktoren beschleunigt, bzw. variiert und dadurch auch wieder ein Stück in Frage gestellt: Was kann noch "zerfallen" bzw. was geschieht wohl, wenn bereits die erste Aufnahme des schrillen, obertonreichen und lang hallenden tibetanischen Zimbelklangs fast als elektronische Verfremdung und Deformation wahrgenommen wird? Der jeweils aufgenommene sehr helle Akkordeon- und Live-Zimbelklang werden bereits während der ersten Versionen verzerrt. Das hat im Verlauf des Stückes den Effekt, dass nach ca. 2 Minuten (allerdings stark vom jeweiligen Raum abhängig) die Anfangssequenzen zu einem immer leiser werdenden Rauschen deformiert werden. Die jeweils live gespielten Passagen (zunehmender Ereignisdichte zur Mitte hin) werden für den Hörer quasi zu einem vielstimmigen "Kanon im 20-Sekunden-Abstand" (in der Partitur nicht explizit fixiert), wobei die jeweils letzten Versionen und das Live-Spiel des Akkordeonisten gegenüber den deformierten älteren Versionen aufgrund ihrer größeren Plastizität in den Vordergrund treten. Dies hat folgenden Grund: Der Live-Zimbelspieler, zugleich integrierter Tonregisseur im Stück, ist so mit seinem Part beschäftigt, dass er die älteren, immer leiser und verzerrter werdenden Versionen zumal kaum nachpegeln kann.

Zusätzlich zur beschriebenen "entstehenden Kontrapunktik zwischen Live-Spieler und Endlosschleife" kontrapunktieren in diesem Stück insgesamt vier Prinzipien der Klangerzeugung bzw. -präsentation im Raum:

1. Live-Spiel (Hier-und Jetzt)

2. Konservierter, geschnittener Zimbelklang auf CD als Kontrapunkt zum Live-Zimbelspieler

3. Ständige Deformation von Ebene 1 und 2 (Tape 2)

4. Klang aus feststehenden, im Raum verteilten Klangquellen (Lautsprecher von Tape 1 und 2, Akkordeonist) entgegen kleiner, tw. improvisierter Bewegungen des Live-Zimbelspielers im Raum.

 
     
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